Freie Presse, Reinhold Lindner, 9. September 2003

Kunst von alten Dingen

Malerei und Materialbilder zum 100. Geburtstag von Kurt Teubner in Aue

Der Zaunkönig sitzt keck auf dem Gartenzaun, wo sonst sollte der König sitzen? Ein Bild, gemalter Hintergrund, schön und grün. Aber der Zaun vorndran ist aus richtigen alten Holzlatten, und das Vögelchen ist auch richtig – nämlich gemalt, ausgeschnitten und draufgeklebt auf den Zaun. Ein Bild von Kurt Teubner aus Aue.

Der war wohl einer der außergewöhnlichsten Künstler in der DDR. Und überhaupt. Dass seine Kunst ihren originellen Status durchaus kraftvoll bewahrt, zeigt eine Ausstellung der Galerie im Kulturzentrum Aue, die dem 100. Geburtstag Teubners gewidmet ist. Sie heißt “Spurensicherung”, das klingt zwar etwas ermittlerisch, aber es trifft. Denn es war Kurt Teubner sein Leben lang Anliegen, Menschenleben im Menschenwerk aufzuheben, in seinen geringsten Regungen wie in größeren Zusammenhängen. Es lag für ihn nahe, Material in seine Bilder zu integrieren, das sonst sorg- und achtlos verworfen und weggeschmissen, liegen gelassen, vergessen und verdorben wurde. Denn er sah die Lebensspuren und Lebenszeichen auch in kleinsten Äußerungen, arrangierte sie mit feinsinnigem Humor und sozialem Einfühlungsvermögen.

Assemblagen, Collagen, Materialbilder – die Auswahl in der jetzigen Ausstellung in Aue ist sorgsam arrangiert im Sinn ihres Mottos. Denn aus Spuren werden neue Wege, die anscheinende Nüchternheit des Material wird zum Zugang des Nachsinnens. Altpapier und alte Möbelstücke, zerbrochene Fensterscheiben, alte Tapeten mit den vom Staub frei gebliebenen Plätzen einstiger Bilder, der alte Schlips und der total verschlissene einst weiße Malermantel – das alles gibt Werte frei, Erinnerung und Achtsamkeit.

“Spurensicherung”: Malerei und Assemblagen von Kurt Teubner. Ausstellung im Kulturzentrum Aue. Bis 25. Oktober. Montag bis Freitag 9 bis 12 Uhr, Montag bis Mittwoch 13 bis 18 Uhr.